Gott – offensichtlich unsichtbar?

2014 fand an der Akademie eine interdisziplinäre Tagung zu einer zentralen Frage des christlichen Glaubens statt: Ist Gott unsichtbar? Was verstehen wir in diesem Zusammenhang unter „Unsichtbarkeit“? Wie verhält sich dies zu den Gottesbilder und Gottesvorstellungen, die wir haben?
„Ist Gott unsichtbar? Von der klassischen Theodizee-Frage bis zu modernen Rationalitätsansprüchen“ – so lautete der Titel der Tagung.

In unserer naturwissenschaftlichen Welt gibt es für alle Dinge klare Vorstellungen –
aber Gott entzieht sich diesen Ordnungen

„In unserer naturwissenschaftlich geprägten modernen Welt gibt es für alle Dinge nicht nur einen Namen, sondern auch mehr oder minder klare Vorstellungen darüber. Doch der christliche Gott entzieht sich dem, er ist weder beschreibbar, noch verortbar, noch messbar“, skizziert Dr. Frank Vogelsang den Ausgangspunkt der Tagung, die er gemeinsam mit der Karl-Heim-Gesellschaft ausgerichtet hat. „Leid und Ungerechtigkeit, die uns direkt oder in der Berichterstattung der Medien begegnen, stellen zudem das Wirken Gottes generell in Frage und führen zur klassischen Theodizee-Frage: Wie kann Gott, von den man sagt, er sei allmächtig, solches Leiden zulassen?“, so Vogelsang weiter.

Ist der christliche Gott also vor allem der unsichtbare Gott?
Ist der christliche Gott also vor allem der unsichtbare Gott, ein verborgener oder sogar ein „versteckter“ Gott? Was überhaupt meint Unsichtbarkeit? Inwieweit lässt sich Unsichtbarkeit von Sichtbarkeit abgrenzen?
Die Tagung ging diesen Fragen aus Sicht der Philosopohie, der Theologie und der Naturwissenschaften nach.

 

Einführungsvortrag von Professor Dr. Bernhard Waldenfels: Das Unsichtbare im Sichtbaren

Professor Dr. Bernhard Waldenfels bei seinem Vortrag an der Akademie. Foto: H.Blum

Den Einführungsvortrag „Das Unsichtbare im Sichtbaren. Phänomene weisen über sich selbst hinaus “ hielt Philosophie-Professor Dr. Bernhard Waldenfels. Die Auseinandersetzung mit dem Begriff des Fremden aus Sicht einer leiblich verankerten Phänomenologie bildet den Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit. Im Mittelpunkt seines Vortrags stand: „Das Unsichtbare Im Sichtbaren“ – auf den ersten Blick ein Paradox. „Etwas fällt mir auf – das ist die elementarste Erfahrung, die die einfachste Beschreibung des Sehens“, so Waldenfels. Es ist etwas, das mir geschieht, das ich nicht in der Hand habe. Ähnlich ist es mit den Gedanken: Die Gedanken beginnen mit dem Einfall. Mit dem Einfall beginnt das Denken, nicht mit einer Hypothese“. Waldenfels beschrieb das Sehen in dem so skizzierten Sinn als ein „Sehabenteuer“: Etwas fällt mir auf – das ist die elementarste Erfahrung und die einfachste, und ich antworte darauf. Wir entdecken durch das Sehen selbst. Es gebe so etwas wie ein „produktives Stolpern“, das verhindere, das alles im Gleichschritt bleibt, aber: „Die Fremderfahrung wird nur dann stark, wenn es an etwas in mir selbst rührt.“ Dabei gibt es Unsichtbares im Sichtbaren selbst, so Waldenfels. Hier sei die Phänomenologie, die Albert Camus als das „Wieder Sehen lernen“ umschrieben habe, den Bildenden Künsten verwandt: Auch der Maler Paul Klee habe z. B. versucht, dieses sichtbare Unsichtbare in seiner Malerei zu vermitteln. „Das, was sich zeigt, ist immer zugleich mehr und anderes. Die Erfahrung weist über sich selbst hinaus“.

Naturwissenschaftliche Anmerkungen zum Thema der Unsichtbarkeit

Ein Physiker und ein Biologe gingen auf die Frage des Sichtbar-Unsichtbaren in den Naturwissenschaften ein Auf die Frage des Sichtbar-Unsichtbaren in den Naturwissenschaften gingen je aus Sicht ihrer Disziplin der theoretische Physiker Professor Dr. Jürgen Schnakenberg, Aachen, und der Biologe Dr. habil. Hansjörg Hemminger, Stuttgart, ein.

Die Unsichtbarkeit in der Theologie

Der Neutestamentler Professor Dr. Dr. Francois Vouga, Bielefeld, und der Systematische Theologe Professor Dr. Christian Link, Bochum, setzen sich mit der Frage nach der Unsichtbarkeit Gottes aus theologischer Perspektive auseinander. Vouga, zu dessen Forschungsgebiet u.a. Einheit und Vielfalt der neutestamentlichen Theologie gehören, ging es um „Die Paradoxie der sichtbaren Offenbarung des unsichtbaren Gottes. Kreuz und Erfahrung.“ Link, zu dessen Hauptthemen die Schöpfungstheologie und die Theodizee-Frage zählen, stellte die Frage: „Dem unsichtbaren Gotte? Wie kann man in der Moderne von Gott reden?“

Die Vorträge von Dr. habil. Hansjörg Hemminger („Hat die Evolution eine Richtung, hat sie
einen Sinn?“), Prof. Dr. Christian Link („Dem unsichtbaren Gotte?“) und Prof. Dr. Dr. Francois Vouga („Die Paradoxie der sichtbaren Offenbarung des unsichtbaren Gottes“) hat die Karl-Heim-Gesellschaft in der Ausgabe 2/2014 ihrer Zeitschrift „Evangelium und Wissenschaft“ dokumentiert. Die Zeitschrift ist zum Preis von 3,50 Euro zzgl. Versandkosten direkt bei der Karl-Heim-Gesellschaft zu beziehen.